Omeomics: die allumfassende Wissenschaft

„Ich schlage vor,
für den haploiden Chromosomensatz, der im Verein mit dem zugehörigen Protoplasma die materielle Grundlage der systematischen Einheit darstellt den Ausdruck: das Genom zu verwenden.“
~ Hans Winkler ~

Daten, Daten, Daten,… Letzte Woche hat Sebastian von seinem Job im Online Marketing berichtet und wieso er als Bioinformatiker bestens geeignet ist, mit solchen riesigen Datenmengen umzugehen. Für Datenmengen solcher Größenordnung in der Biologie hat sich jemand eine schöne Endung überlegt: „-om“. Die heilige Silbe der Hindus und Buddhisten. Diese Endung beschreibt die Gesamtheit ähnlicher Einzelelemente. Zum ersten Mal vorgeschlagen wurde der Begriff „Genom“ 1920 von Hans Winkler, einem deutschen Botaniker. Das GenOM ist die Gesamtheit aller Gene (DNA). Später kamen weitere Ebenen: Das TranskriptOM ist die Gesamtheit aller Transkripte, das ProteOM ist die Gesamtheit aller Proteine, das MetabolOM ist die Gesamtheit aller Metaboliten und so weiter.

Mit „-omik“ kennzeichnet man das Fachgebiet, das sich mit der Analyse des jeweiligen „-oms“ beschäftigt. In all diesen Bereichen fallen durch neu entwickelte Hochdurchsatz-Techniken riesige Datenmengen an, die ausgewertet werden müssen. Deswegen ist die Bioinformatik ein wesentlicher Bestandteil der „-omik“-Forschung.

Das Genom: Unser Bauplan

Das Genom ist unser Programmcode, der Bauplan für alles, was in unserem Körper geschieht. Unser Genom befindet sich im Kern jeder unserer Zellen und besteht aus DNA (kurz für deoxyribonucleic acid). DNA ist ein langes Kettenmolekül, dass aus einzelnen Bausteinen, den Nukleotiden, zusammengesetzt ist. Das menschliche Genom besteht aus drei Milliarden dieser Bausteine. Jedes Nukleotid enthält eine von vier Nukleobasen: Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin. Wir Bioinformatiker sehen die DNA nicht als komplexes Kettenmolekül, sondern als Zeichenkette aus vier Buchstaben, wobei jeder Buchstabe für eine der Nukleinbasen steht: A, T, G und C.

Die Genomik beschäftigt sich mit der Untersuchung der DNA: Wir wollen die Zeichenkette bestimmen, und die Funktion verstehen. Die Funktion der DNA wird durch kurze Abschnitte des Kettenmoleküls bestimmt, sogenannter Gene. Aber wie werden diese Funktionen ausgeführt? Wie sorgt ein Stück dieses Moleküls dafür, dass wir wachsen, schlafen, laufen, verdauen,…? Und wie gelangt die Information aus dem Zellkern dorthin, wo sie ausgeführt werden soll?

Vom Bauplan zur Maschine

Ein Gen enthält die Information für die Herstellung von RNA (kurz für ribonucleic acid). Die RNA besteht auch aus einzelnen Bausteinen, ähnlich zur DNA. Auch diese Bausteine enthalten Nukleobasen, drei die uns schon bekannt sind: Adenin, Guanin und Cytosin, und statt Thymin ein andere vierte, nämlich Uracil. RNA ist für Bioinformatiker also auch wieder nur eine Zeichenkette aus vier Buchstaben. Die Nukleobasen sind zueinander komplementär, das heißt, sie können aneinander binden: Adenin bindet an Uracil, Guanin bindet an Cytosin. Die einzelnen RNA-Bausteine können an die DNA-Bausteine binden und eine neue komplementäre Kette bilden. Die RNA kann also die Information der DNA kopieren. Diesen Vorgang nennt man Transkription. Das Gen wird nicht nur einmal, sondern mehrmals kopiert. Die Kopien werden aus dem Zellkern transportiert. Die komplette DNA-Kette wäre dafür zu lang.omeomics

genetischer-Code

Genetischer Code: Jeweils drei Bausteine der RNA lassen sich in eine Aminosäure übersetzen.

Die Kopie kann jetzt dorthin transportiert werden, wo die Information gebraucht wird. Nun muss die darauf gespeicherte Anweisung ausgeführt werden. Dafür muss der Bauplan, der sich auf der Kopie befindet, übersetzt werden in „Maschinen“, die für unsere Körperfunktionen verantwortlich sind. Diese Maschinen nennt man Proteine. Auch Proteine sind Kettenmoleküle. Sie bestehen jedoch aus völlig anderen Bausteinen als DNA und RNA: aus Aminosäuren. Jeweils drei Bausteine der RNA lassen sich in eine Aminosäure übersetzen. Das Wörterbuch „RNA —> Protein“ bezeichnet man als genetischen Code, die Übersetzung als Translation.

Transkriptomik: Kopien zählen

Das Transkriptom ist die Menge aller RNA-Moleküle zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Zelle. Also die Menge aller Baupläne, die kopiert wurden, um die Molekülmaschinen herzustellen. Manche der RNA-Ketten werden nicht übersetzt, sondern haben direkte Funktionen in der Zelle. Man bezeichnet diese als nichtkodierende RNAs. Viele ihrer Funktionen sind uns noch nicht bekannt. Die Transkriptomik beschäftigt sich mit der Auswertung der RNA-Moleküle. An der Anzahl der Kopien eines Gens erkennt man, wie aktiv ein Gen zu einem bestimmten Zeitpunkt ist. Daraus lassen sich wiederum Rückschlüsse auf den Zustand der Zelle schließen und damit zum Beispiel Krankheiten erkennen.

Proteomik: Der Katalog der Maschinen

Proteine — die molekularen Maschinen, die man aus der RNA-Kette übersetzt hat — können bis zu mehrere tausend Aminosäuren lang sein. Sie liegen in der Zelle aber nicht als Kette vor, sondern falten sich zu einer dreidimensionalen Struktur zusammen. Diese räumliche Struktur verleiht den Proteinen ihre Funktionsweise. Oft lagern sich auch mehrere Proteine zusammen, um eine bestimmte Funktion auszuführen. In der Proteomik untersucht man die Struktur der Proteine und der Wechselwirkungen untereinander. Ziel ist es, sämtliche Proteine im Organismus zu katalogisieren und ihre Funktionen zu entschlüsseln.

Die Chemie des Lebens

Das Genom ist also der riesige Bauplan, der alles enthält, was ins unserem Körper geschehen kann. Das Transkriptom spiegelt wieder, was zu einem bestimmten Zeitpunkt zu geschehen scheint. Das Proteom ist die Sammlung der Maschinen, die es geschehen lassen. Aber was geschieht denn nun eigentlich wirklich? Chemie! Chemische Reaktionen sorgen in unserem Körper dafür, dass etwas passiert. „Wir verdauen“, bedeutet nix anderes, als dass unsere Nahrung chemisch zerlegt wird und in Energie umgewandelt. „Wir laufen“, bedeutet die Energie wird durch chemische Reaktionen in Muskelbewegung umgesetzt. Die Proteine sind die Maschinen, die diese chemischen Reaktionen anregen, durchführen oder beschleunigen. Das Material, dass dabei verarbeitet wird, nennt man Metaboliten. Sie werden von Reaktion zu Reaktion gereicht und haben bestimmte Wirkungen auf unseren Körper.

Metabolomik: Das Material untersuchen

Stellt euch vor ihr esst ein Zuckerstückchen (Benjamin Blümchen lässt grüßen). Zucker ist ein Metabolit. Er wird in eurem Körper in mehreren Schritten zerlegt. Dabei entsteht unter anderem Adenosintriphosphat (kurz ATP), ein weiterer Metabolit, der als Energieüberträger gilt. Diese Energie können wir nutzen: zum Denken oder zum Bewegen. Auch das passiert wiederum durch chemische Reaktionen. Solche Metaboliten sind für uns lebensnotwendig. Es gibt auch Metaboliten, die nicht lebensnotwendig sind. Trotzdem haben sie eine bestimmte Wirkung auf unseren Körper. Solche Metaboliten spielen für die Medizin und Pharmazie eine große Rolle, da manche von ihnen als Medikamente genutzt werden können. In der Metabolomik untersucht man sowohl die lebensnotwendigen chemischen Prozesse unseres Körpers, als auch mögliche Wirkstoffe für die Medizin.

Omeomik

Omeomik
bezeichnet somit — in logischer Schlussfolgerung — die Menge aller „-omik“-Gebiete: die Gesamtheit der Gesamtheiten.

Jetzt kennt ihr die vier größten „-omik“ Forschungsgebiete, in denen auch die Bioinformatik eine große Rolle spielt. Die Endung „-omik“ wird immer beliebter. Mittlerweile gibt es auch Lipidomik (Untersuchung von Fetten), Glykomik (Untersuchung von Zuckern), Interaktomik (Untersuchung der Interaktion von Molekülen) und noch viele weitere — teilweise absurde — Wortschöpfungen. Omeomik bezeichnet somit — in logischer Schlussfolgerung — die Menge aller „-omik“-Gebiete: die Gesamtheit der Gesamtheiten.

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12 Antworten

  1. Bernd sagt:

    Hallo,

    toller Artikel mit guten Begriffserklärungen. Mir war noch gar nicht bewusst, dass in der Genetik viele der Fachbegriffe auf dem -om- der Buddhisten und Hindus endet 🙂 Ich freue mich über weitere gute Artikel von dir/Euch! Viele Grüße aus Jena

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  2. Juli 20, 2016

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