Pilzinfektionen: „Game Over“ statt 1-UP

Was haben Champignons, verschimmeltes Brot und Bier gemeinsam? Richtig! Sie sind oder entstehen durch Pilze. Manche Hefe- und Schimmelpilze leben friedlich auf oder in unserem Körper. Für Menschen mit Immunschwäche können diese Pilze lebensbedrohlich sein. Wie es dazu kommt, versuchen Bioinformatiker durch unterschiedliche Ansätze herauszufinden.  Gemeinsames Ziel ist ein virtuelles Modell der Pilzinfektion als Ausgangspunkt für neue Therapiestrategien.

Pflanze vs Tier

Phylogenie von Pflanzen, Pilzen und Tieren

Pilze sind näher mit den Tieren als mit den Pflanzen verwandt.

Früher ordnete man Pilze den Pflanzen zu. Allerdings betreiben Pilze keine Photosynthese. Deswegen sind sie auch nicht grün. Und die meisten Pilze bilden ihre Zellwand aus Chitin, einem Material, dass im Pflanzenreich gar nicht vorkommt. Wenn sie keine Pflanzen sind, was sind sie dann? Tiere? Zumindest ernähren sie sich wie Tiere von organischen Nährstoffen. Aber im Gegensatz zu Tieren besitzen Pilzzellen Vakuolen und Zellwände wie Pflanzenzellen. Also doch Pflanzen? Auch nicht. Pilze sind weder Pflanzen noch Tiere. Sie bilden eine eigenständige Gruppe, die jedoch näher mit den Tieren, als mit den Pflanzen verwandt ist.

Vom friedlichen Zusammenleben zur Infektion

Zu den Pilzen zählen nicht nur die uns bekannten Speisepilze. Zu den Pilzen zählen auch Schimmelpilze oder Einzeller wie die Backhefe (auch als Bierhefe bekannt). Manche dieser Hefepilze oder Schimmelpilze können beim Menschen Infektionen hervorrufen, sogenannte Mykosen. Für gesunde Menschen ist der Kontakt mit solchen Pilzen ungefährlich. Oft finden sich die Pilze auf Haut, Schleimhaut und im Darm. Sie bilden dort einen Gleichgewichtszustand mit unserem Immunsystem und anderen Mikroorganismen. Diesen Zustand bezeichnet man als Kommensalismus: eine Wechselbeziehung zwischen zwei Organismen, die für die eine Art positiv, für die andere Art neutral ist. Gefährlich werden die Pilze erst, wenn das Immunsystem einer Person geschwächt ist, zum Beispiel durch andere Krankheiten wie AIDS oder Krebs. Dann kann die Besiedlung durch den Pilz stark zunehmen und lebensbedrohlich sein. Pilzinfektionen werden of zu spät erkannt und es gibt nur begrenzte Möglichkeiten für Therapien. Das liegt vor allem an zwei besonderen Eigenschaften der Pilze:

  • dem Wechsel zwischen ungefährlichem Zusammenleben und lebensbedrohlicher Besiedelung und
  • den einzigartigen Mechanismen der Pilze, die menschliche Immunantwort zu vermeiden oder zu bekämpfen.

Tod durch Hefe oder Schimmel

By GrahamColm - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10921762

Hefepilz Candida albicans (By GrahamColm – Own work, CC BY-SA 3.0)

In Europa gibt es vor allem zwei Pilze, die Ursache solcher lebensbedrohlichen Pilzinfektionen sind: der Hefepilz Candida albicans und der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus. Der Hefepilz kann bei etwa 70 Prozent aller gesunden Menschen in Mund und Rachen, im Genitalbereich, im Darm oder auf Finger- und Fußnägeln nachgewiesen werden. Trotzdem zeigen diese Menschen keine Krankheitssymptome. Die zwei Haupttypen von Infektionen sind Schleimhaut-Erkrankungen im Mund oder Genitalbereich. Bei immungeschwächten Personen werden diese Infektionen über die Blutbahn in nahezu jedes Organ des menschlichen Körpers transportiert.

Aspergillus

Schimmelpilz Aspergillus fumigatus

Der Schimmelpilz wird häufig über die Atemwege aufgenommen. Das kann zu Asthma oder Allergien führen. Bei einer Immunschwäche werden die eingeatmeten Sporen nicht abgetötet und breiten sich über die Blutbahn im gesamten Körper aus. Im schlimmsten Fall erreichen sie das zentrale Nervensystem. Für beide Pilze sind die Mechanismen, mit denen sie die menschliche Immunantwort umgehen, kaum erforscht.

FungiNet — Ein Netzwerk aus Spezialisten

Die beteiligten Arbeitsgruppen-Leiter im FungiNet Netzwerk. (Photo by JSMC)

Die beteiligten Arbeitsgruppen-Leiter im FungiNet Netzwerk.
(Photo by JSMC)

Um die komplexen Mechanismen von Pilzinfektionen genauer zu verstehen, haben sich Wissenschaftler der Friedrich-Schiler-Universität Jena, des Hans-Knöll-Instituts Jena und der Julius Maximilian Universität Würzburg zusammengeschlossen. In diesem Netzwerk spielt die Bioinformatik eine große Rolle. Allein aus Jena sind vier bioinformatische Gruppen mit unterschiedlichen Fragestellungen an dem Projekt beteiligt. Die übergeordneten Fragen, denen alle beteiligten Gruppen nachgehen wollen, sind:

  • Was passiert bei einer Pilzinfektion im menschlichen Körper und im Pilz?
  • An welcher Stelle kann ich einschreiten um eine wirkungsvolle Therapie dagegen zu entwickeln?

Das Leben ist auch nur ein Spiel

Die Arbeitsgruppen von Stefan Schuster aus Jena und Thomas Dandekar aus Würzburg modellieren mittels evolutionärer Spieltheorie die Wechselwirkungen zwischen Pilz und erkranktem Mensch. In der Spieltheorie untersucht man Situationen, in denen sich mehrere Beteiligte gegenseitig beeinflussen. Dazu gehört zum Beispiel das Bluffen beim Pokern, aber auch der Wechsel vom friedlichen Miteinander zur Erkrankung des Menschen durch den Pilz. Die zentrale Frage in beiden Fällen ist: welches Verhalten sichert mir den Sieg beziehungsweise das Überleben im “Spiel” am ehesten? Durch ihre Untersuchungen wollen die Forscher herausfinden, wie man die friedliche Lebensweise des Pilzes belohnen kann und damit eine Erkrankung verhindern.

Signale der Immunantwort

Die beiden Arbeitsgruppen um Reinhard Guthke und Manja Marz rekonstruieren genregulatorische Netzwerke basierend auf Transkriptomdaten. Das Transkriptom ist die Summe aller zu einem bestimmten Zeitpunkt abgelesenen Gene. Diese Gene werden entweder in Proteine umgesetzt oder übernehmen regulierende Funktionen. Sie können zum Beispiel verhindern, dass andere Gene ebenfalls abgelesen werden. Indem man das Transkriptom eines gesunden Menschen (der in friedlicher Interaktion mit dem Pilz lebt) und eines Erkrankten vergleicht, gewinnt man Einblick in diese Regulierungsmechanismen. So versuchen die Forscher herauszufinden, an welcher Stelle man eingreifen kann, um die Immunantwort des Menschen zu verstärken.

Die Immunantwort wird über bestimmte Signalwege von Molekülen ausgelöst. Um das Netzwerk an Signalen zu entschlüsseln, vergleichen die Forscher aus der Arbeitsgruppe von Christoph Kaleta Signalmoleküle und Signalwege aus Datenbanken. In dem entstehenden Netzwerk will man die zentralen Punkte der Kommunikation zwischen Pilz und Mensch finden. An diesen Punkten können mögliche Therapien ansetzen.

Die Macht des Bildes

Um zu beobachten, was tatsächlich passiert, wenn die menschliche Immunzellen mit den Pilzen konfrontiert werden, untersucht die Arbeitsgruppe um Marc Thilo Figge Bilddaten. Die Forscher untersuchen das Zusammenspiel zwischen Mensch und Pilz sowohl räumlich als auch zeitlich, indem sie eine Reihe von “Fotos” aufnehmen und automatisch auswerten. Dafür nutzen sie zum Beispiel Mustererkennung, um die Bewegung der Zellen nach zu verfolgen. Anhand der daraus gewonnen Informationen, versuchen sie das Geschehen nachzuspielen. An diesem Modell können die Forscher Einflüsse auf Immunzelle und Pilz testen.

Alle bioinformatischen Projektpartner versuchen gemeinsam ein virtuelles Modell der Pilzinfektion zu erstellen. Dieses Modell dient als Ausgangspunkt, um neuen Präventions- und Therapiestrategien zu entwickeln.


Publikationen:

Beteiligte Bioinformatik Arbeitsgruppen:

Das könnte dich auch interessieren …

Eine Antwort

  1. April 19, 2016

    […] durch das Bakterium stark zunehmen und zur Blutvergiftung oder einer anderen Infektion führen. Von solch einem Wechsel zwischen ungefährlichem Zusammenleben und lebensbedrohlicher Besiedelung ha… Und tatsächlich werden Blutvergiftungen immer häufiger durch Pilze (unter anderem auch Candida […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert